Trauer ums Geschwisterkind: Abschied von Schwester Sophie

Trauer

Ihr Lieben, Stephanie Witt-Loers ist Trauerfachberaterin und wir sprechen mit ihr heute über die Trauer ums Geschwisterkind. Sie wohnt nicht weit von mir und hat mit ihrem Institut Dellanima einen Ort mit 50 Ehrenamtlichen geschaffen, an dem Kinder und Jugendliche durch ihre Trauer begleitet werden.

Sie bietet bundeweit Fachtagungen an und ist derzeit in die Koordination der Betroffenen nach dem schrecklichen Unfall mit vier verstorbenen Teenagern in Kürten eingebunden. Sie hat etliche Bücher verfasst und nun ein neues auf den Markt gebracht: Meine Schwester Sophie: Geschwisterkinder in Zeiten von Krankheit, Tod und Trauer unterstützen

Trauer ums Geschwisterkind

Liebe Stephanie, in deinem Buch versteht Greta die Welt nicht mehr, weil sich plötzlich alles nur noch um ihre kranke Schwester Sophie dreht. Damit thematisierst du etwas Wichtiges: Dass wir die Geschwisterkinder auch im Auge behalten müssen. Warum ist dir das persönlich ein so großes Anliegen?

Zum einen weiß ich aus meiner Kindheit, wie wichtig es ist, dass Geschwister in ihrer speziellen Situation wahrgenommen werden. Zum anderen erlebe ich in meinen Begleitungen immer wieder, dass sie schnell aus dem Fokus geraten, wenn in der Familie ein Kind schwer krank ist und stirbt. Geschwister bleiben oft allein mit ihren Ängsten und Fragen.

Du hast viel Erfahrung mit Trauer ums Geschwisterkind oder andere Angehörige, welche Reaktionen kann das Übersehen von Geschwistern von kranken Kindern hervorrufen? Vom Klassenclown bis zum Rückzug?

Ja, genau, das können mögliche Reaktionen sein. Risikoverhalten, Aggressivität oder auch die Flucht aus dem System, in vielfältigen Formen, können ebenfalls vorkommen. Ein hohes Verantwortungsgefühl für Bezugspersonen/Geschwister, die Übernahme von Aufgaben, das Gefühl nicht geliebt zu werden, Identitätskonflikte oder Überforderung können das Leben und die Entwicklung von Geschwisterkindern stark belasten. Deshalb brauchen Geschwister unter anderem liebevolle Zuwendung.

Wie können wir es trotz des anstrengenden Alltags mit krankem Kind schaffen, dass sich das Geschwisterkind nicht außen vor fühlt?

Im Buch erlebt Greta die Trauer und Hilflosigkeit ihrer Eltern und erfährt gleichzeitig, dass ihre Eltern, wie sie selbst in einem Lernprozess zum Umgang mit der neuen Situation stecken. Ihre Eltern öffnen sich Greta gegenüber und suchen professionelle Unterstützung. Das sind wichtige Signale für Greta und für ihren Anpassungs- und Trauerprozess. Weil Greta einbezogen, fortlaufend informiert wird, Verantwortung übernehmen und eigene Ideen mit in den Prozess einbringen darf, fühlt sie sich nicht allein.

Gretas Schwester Sophie stirbt in deinem Kinderbuch schließlich, wie schafft Greta es, in ihrer Trauer weiterzuleben?

Greta kann selbst auch etwas tun. Sie bleibt nicht hilflos und ohnmächtig. Sie hat Zeit und Gelegenheit mit Sophie über die Krankheit, den Tod und das Danach und vieles mehr zu sprechen. Greta unterstützt Sophie und darf später den Sarg und die Abschiedsfeier mitgestalten. Insgesamt wird so das Selbstvertrauen, die Selbstwirksamkeit und die Zuversicht, dass ihr Leben weiterhin lebenswert ist, gestärkt.

Greta hat viele Fragen, wie können wir diese als Erwachsene behutsam beantworten?

Vor allem sollten wir ehrliche Antworten geben und kindgerechte sachliche Informationen vermitteln. Bezugspersonen sollten deutlich machen, dass Kinder ihre Fragen stellen dürfen, auch wenn Eltern gleichzeitig trauern, vielleicht weinen oder nicht auf alle Fragen eine Antwort haben. Wichtig ist es, Kindern zu erklären, dass nicht sie es sind, die Eltern mit ihren Fragen traurig machen, sondern der Umstand der Erkrankung oder der Tod die Ursache der Trauer der Eltern in ihren vielfältigen Facetten ist.

Wie können wir auf Gefühle wie Ekel, Schuld oder Erleichterung reagieren?

Meist sind das tabuisierte Gefühle, die Kinder und auch Erwachsene aus Scham häufig nicht von sich aus ansprechen. Hier sind die direkte Ansprache und Informationen hilfreich. Wir sollten vermitteln, dass es sich um ganz normale Gefühle und Gedanken handelt, die ihren Sinn haben und Raum benötigen.Niemand ist deshalb ein schlechter Mensch, denn diese Gefühle gehören auch zu uns.

Warum tun sich viele Erwachsene so schwer, mit Kindern über Tod und Trauer zu sprechen? Meine Erfahrung ist, dass sie zu wenig sachliche Informationen zu Sterben, Tod und Trauer haben. Das erzeugt Angst. Zudem möchten Erwachsene Kindern Leid ersparen und glauben deshalb, dass es besser sei, Kinder außen vor zu lassen. Darüber hinaus haben eigene negative Erfahrungen das Verhalten in Bezug auf die Kinder oftmals so geprägt, dass das Thema abgewehrt wird.

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Dein Buch schenkt auch Hoffnung: Das Leben darf trotz Schicksalsschlag auch wieder schön werden. Wie kann das gelingen?

Trauernde Kinder wie Erwachsene brauchen oft die ausdrückliche Erlaubnis von außen, dass sie ihr Lebenauch positiv empfinden dürfen. Hilfreich kann auch der Gedanke sein, dass das verstorbene Kind/Geschwister nicht gewollt hätte, dass das eigene Leben nicht mehr geschätzt wird. Zum Überleben eines Schicksalsschlags gehört auch eine Sinnhaftigkeit für das eigene Leben zu finden (die nicht überfordert) und Dinge zu tun, die Lebensfreude schenken. Greta hat den Plan Ärztin zu werden, sie ist verbunden mit Kindern mit ähnlichem Schicksal und sie findet für sich Trost, weil sie ihrer Schwester Sophie neue Plätze in ihrem Leben gibt.

Was möchtest du Eltern mit auf den Weg geben, die gerade eine ähnliche Situation erleben wie die von Greta und Sophie?

Vor allem, dass sie mit ihren individuellen Bedürfnissen so gut wie möglich für sich sorgen. Damit tun sie nicht nur etwas für sich. Auch für die Kinder ist das wichtig zu erleben. Eine offene Atmosphäre zu schaffen, in der Fragen gestellt und Emotionen gezeigt werden dürfen, gegenseitiger Respekt und Toleranz für den unterschiedlichen Umgang mit der Situation sind gute Voraussetzungen, um mit der Situation leben zu lernen. Dabei können Sachwissen, professionelle Unterstützung und der Austausch mit anderen Betroffenenhilfreich sein.

Trauer um Geschwisterkind
Meine Schwester Sophie: Geschwisterkinder in Zeiten von Krankheit, Tod und Trauer unterstützen


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