Eine Krankenschwester erzählt: Darum habe ich meinen Job gekündigt

Krankenschwester

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Ihr Lieben, dass Menschen in Pflegeberufen oft unter sehr harten Bedingungen arbeiten, ist ein Geheimnis. Unsere Leserin Lorena hat 26 Jahre lang als Krankenschwester gearbeitet und immer wieder gemerkt, dass sie einfach zu wenig Zeit für die einzelnen Patienten hat. Daher hat sie sich irgendwann entschieden, den Job zu wechseln. Hier erzählt sie ihre Geschichte:

Liebe Lorena, du warst viele Jahre Krankenschwester. Warum hast du dich damals für diesen Beruf entschieden?

Mit 17 wollte ich unbedingt von meinen Eltern ausziehen und die Kleinstadt, in der ich aufgewachsen bin, verlassen. Daher habe ich mich für ein Freiwilliges Soziales Jahr entschieden und wollte das eigentlich in einem Kinderheim machen. Das hat aber nicht geklappt und deshalb habe ich es in einem Altenheim absolviert.

Die Arbeit mit den Senioren hat mir total gefallen, es war schön zu sehen, wie ich die Menschen unterstützen kann. Ich habe immer versucht, die Senioren mit viel Humor und Gesang zu aktivieren, das hat allen gut gefallen und ich bekam viel Wertschätzung von den Bewohnern und Angehörigen.

Kollegen haben mir da allerdings schon gesagt, ich sei zu nah am Wasser gebaut, zu sensibel und lasse alles zu nah an mich ran. Ich hab trotzdem auf mein Herz gehört und eine Ausbildung in der Krankenpflege gestartet.

In welchem Bereich hast du genau gearbeitet und was gehörte zu deinen täglichen Aufgaben?

Ich hab in 26 Jahren in ganz vielen Bereichen gearbeitet. Ich war festangestellt, dann in einem Springerpool, dann mal bei einer Zeitarbeitsfirma, wo ich in drei Städten und fünf verschiedenen Stationen eingesetzt wurde. Dadurch musste ich immer wieder neu meinen Platz in Teams finden.

Was war für dich das Schönste an deinem Beruf?

Ich liebe bis heute meinen Beruf und finde so viele gute Seiten daran: Ob es die Sterbebegleitung ist und so einen würdevollen Abschied zu ermöglichen. Ob es jemand ist, dem man nach einer Bandscheiben OP hilft wieder mobil und schmerzfrei zu werden. Ob es das Mut zusprechen eines Krebs-Patienten ist, dass er die morgige Chemo schafft.

Ich mochte es, Patienten ihre Selbstwirksamkeit zu zeigen, ihnen die Füße mit Lavendelöl einzureiben, wenn sie Angst vor der Nacht haben. Ich habe mit ihnen Traumreisen gemacht, mit ihnen gelacht und geflucht, ins Kissen gehauen, Gefühle ausgehalten. All das war so wichtig und gut.

Doch es gab auch Dinge in deinem Job, die für dich mehr und mehr untragbar wurden. Was war das?

Ich war immer gerne lieber am Bett bei den Patienten als am Schreibtisch, aber dokumentieren geht heute vor – dieser Papierkram frisst so viel Zeit. Das hat mich echt unglücklich gemacht.

Ich habe viel Zeit mit den Menschen verbracht, die ich betreut habe. Viele Patienten haben dann auch konkret nach mir gefragt, das erzeugt auch Neid bei den Kollegen. Und mir wurde immer wieder gesagt, ich sei zu langsam, nicht effizient genug und zu sensibel.

Hast du versucht, das mit den Verantwortlichen anzusprechen?

Ja, wir haben viel gesprochen, aber für beide Seiten gab es nie eine Lösung, die für beide Seiten gut gewesen wäre. Und so habe ich oft die Stationen und Teams gewechselt. Die Stimmung in den Teams war einfach auch oft nicht gut. Kollegen haben mir unterstellt, ich würde mir nur die Rosinen raussuchen. Andere haben mich schlecht geredet, ich sei fachlich nicht kompetent und total ineffizient.

Das hat mich echt zusammen brechen lassen, da habe ich gekündigt. Das alles hat mich aber so beschäftigt, dass ich eine Therapie gemacht habe. Dort habe ich viel gelernt und auch beschlossen, dass ich mich beruflich umorientieren muss.

Was genau machst du heute beruflich und wie geht es dir damit?

Ich habe von einer Firma gehört, die Schulbegleitungen für Kinder und Jugendliche aus dem Autismussprektrum suchen. Das Gespräch da war ganz toll und ich wusste sofort, dass das was für mich ist. Großartig fand ich auch, dass man die Möglichkeit hat, alle sechs Wochen in eine Reflexionsgruppe mit einer Psychologin zu gehen. Das hatte ich mir in der Pflege immer gewünscht!

Jetzt arbeite ich mit einem Kind aus dem Autismus Spektrum. Das Kind zeigt mir jeden Tag seine wunderbare  ehrliche Welt mit all seinen Gefühlen. Ich versuche jeden Tag in seine Welt mit einzutauchen, um ihn zu verstehen, zu helfen und unterstützen 

Es natürlich herausfordernd, aber das ist Arbeit im sozialen Sektor ja meistens. Mich motiviert, dass das Kind durch meine Arbeit eine gute Chance auf Teilhabe hat. Ich kann also einen Unterschied machen und das ist doch toll.

Was meinst du müsste sich im Gesundheitswesen ändern, damit es wieder ein Bereich wird, in dem man gerne und gut arbeiten kann? 

Ach, darüber wird ja täglich irgendwo gesprochen, aber so wirklich ändert sich ja nichts. Ich fände es gut, dass sich durch alle Bevölkerungsschichten etwas ändern würde: Wenn man begreifen würde, wie gut Nächstenliebe, Menschlichkeit, Geduld tut. Dass es normal ist, dass jeder Stärken und Schwächen hat, dass Lernen ein lebenslanger Prozess ist. Dass ein gutes Miteinander der beste Nährboden ist, um in eine gute Zukunft zu schauen….



2 comments

  1. Ich werde nie die Nachtschwester vergessen, die mich nach der Geburt meiner Zwillinge nachts im Krankenhaus betreut hat. So viel Zuwendung, Wärme und Sensibilität. Wahrscheinlich eine Person, ganz ähnlich wie du, Lorena! Sie ist die einzige, an die ich mich erinnere und wir waren etwas länger im Krankenhaus. Man kann so einen Unterschied machen! ich wünschte, es wäre für Menschen wie dich möglich, in einem guten Umfeld, diesen Beruf auszuüben. Schön, dass du so eine tolle Alternative für dich gefunden hast.

  2. Ich bin Lehrerin und meine Gedanken sind die gleichen wie deine, Lorena.
    Ich finde meinen Beruf so toll, bekomme immer wieder so positive Rückmeldungen- aber das keine-Zeit-haben-dürfen macht mich fertig!
    Wir sehen, was das Kind bzw. der Patient brauchen würde, könnten es fachlich auch leisten- es ist im jeweiligen System aber einfach nicht wirklich möglich! Das ist doch einfach eine Katastrophe!

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