Ihr Lieben, wir haben hier ja immer wieder Berichte über neurodivergente Kinder, weil wir es einfach ganz wichtig finden, diesen Kindern und ihren Eltern Sichtbarkeit zu verschaffen. Auf Instagram bin ich auf Nathalys Familie gestoßen, die ganze Familie ist neurodivergent. In einem Reel konnte man Nathaly sehen, wie sie eins ihrer Kinder durch einen Meltdown begleitet und unter dem Reel hat Nathaly nochmal erklärt, dass ein Meltdown eben kein normaler Wutanfall ist.
Das fanden wir spannend, weil wir selbst dadurch noch viel gelernt haben und haben Nathaly daher gefragt, ob sie uns noch mehr über ihre Familie erzählen würde. Glücklicherweise hatte sie Lust und hat uns unsere Fragen beantwortet!
Liebe Nathaly, du bist Mutter und hast 4 neurodivergente Kinder. Erzähl doch mal etwas mehr über euch.
Na klar. Wir sind zu sechst und wohnen im Oberbergischen Kreis. Ich bin diesen Monat 33 geworden und mein Mann ist 32 Jahre alt. Mein ältester Sohn ist 9, dann kommt meine erste Tochter, sie ist 6, dann mein kleiner Sohn, er ist 3, und meine Mini Maus, sie ist 1,5. Uns als Familie ist am wichtigsten unsere Familie, also wirklich wir sechs und gemeinsame Familienzeit.
Ich bin als Einzelkind aufgewachsen und habe nur meine Eltern, die selbst noch arbeiten. Zur Familie meines Mannes besteht kein Kontakt. Er ist mit vier weiteren Geschwistern aufgewachsen und hatte eine sehr herausfordernde und extrem schwere Kindheit, um es nett auszudrücken. Deshalb war es für uns wichtig, dieses Kapitel hinter uns zu lassen.
Mein Mann und ich haben uns bei der Marine kennen gelernt. Wir waren dort, weil wir die Welt sehen wollten und Gemeinschaft suchten. Leider war das einer der größten Trugschlüsse überhaupt. Wir wurden beide stark ausgegrenzt und machten traumatisierende Erfahrungen. Nach der Geburt meines ersten Sohnes kam dann mein erster heftiger Shutdown und ein kompletter Zusammenbruch. Ich war drei Wochen in einer Klinik. Nach vielen Jahren Therapie erhielt ich die Diagnose bipolare Störung, es wurde auch eine Psychose vermutet. Heute weiß ich sehr genau, was dort alles zusammenkam.
Kurz darauf verlief es bei meinem Mann ähnlich. Und unser Sohn blieb immer unser Mittelpunkt. So begann unser Weg zu uns selbst und die Erkenntnis, dass wir eigentlich ein Leben führten, das überhaupt nicht zu uns passte. Das ist nun acht Jahre her und keiner würde uns heute wiedererkennen. Wir befinden uns immer noch auf dem Weg, und ich glaube, das hört niemals auf.
Für uns als Familie war schnell klar: Wir brauchen uns als kleines Ökosystem so sehr, dass wir uns nicht viele Stunden in der Woche voneinander trennen können. Und vor nicht allzu langer Zeit kam die Erkenntnis hinzu, dass wir alle neurodivergent sind. Das erklärt, warum für uns Sicherheit in der Familie, Routinen, Ruhe noch wichtiger sind als für viele andere. Wobei ich fest davon überzeugt bin, dass die meisten Menschen sowieso nur funktionieren, anstatt wirklich zu leben, und dass eine Veränderung in unserer Lebensführung allen zugutekommen würde.
So habe ich also meinen Traum von ortsunabhängiger, leichter Arbeit, die mit dem, was ich liebe, verbunden ist, acht Jahre lang nicht aufgegeben. Und jetzt darf ich langsam die Früchte ernten: Mein Mann muss nicht mehr arbeiten, und wir können immer alle zusammen sein.
Kannst du mehr über die Neurodiversität der Kids erzählen?
Am stärksten fiel es mir bei meinem kleinsten Sohn auf, schon sehr früh. Er war auch der Schlüssel für all unsere Erkenntnisse. Rückblickend kann ich aber sagen, dass es bei all meinen Kindern von Anfang an anders war als bei den meisten anderen Kindern in meinem Umfeld.
Alle meine Kinder waren, wie man so schön sagt, High Need Babys. Kinderwagen? Niemals. Ich habe sie alle kontinuierlich getragen, sie hingen und hängen teilweise bis heute ununterbrochen an mir oder an meinem Mann. Mein ältester Sohn hatte damals häufig Nachtschreck, ist intensiv schlafgewandelt und hatte extrem lange und heftige Wutanfälle. Heute weiß ich, dass es Meltdowns waren. Meine ältere Tochter war ein Schreibaby und hat immer schon sehr besonders auf andere Menschen reagiert.
Früh hatten wir starke Empfindlichkeiten bei Kleidung. Bis heute muss ich, selbst bei meinem Großen, jeden einzelnen Schritt ansagen und ihn zum Beispiel ans morgendliche Zähneputzen mit geeigneter Zahnpasta erinnern. All diese Kleinigkeiten summieren sich.
Bei meinem Kleinsten wurde es zunehmend auffällig: Sprachverzögerung – er hat erst mit drei Jahren wirklich begonnen, Wörter zu sprechen. Vorher waren es nur Geräusche. Meine einjährige Tochter spricht verständlicher als er. Inzwischen verstehen ihn auch Außenstehende besser, aber oft zeigt er nur auf das, was er möchte, oder führt mich dorthin. Auch die Nächte waren nicht mit Wachstumsschüben erklärbar – es vergeht bis heute keine Nacht ohne Schreien. Er schläft nur neben mir, ist auf bestimmte Rituale angewiesen und so weiter.
Wenn ich dies beim Arzt ansprach, wurde es eher heruntergespielt – nicht böse gemeint, aber doch ohne Tiefe. Ich aber spürte, dass etwas anders war. Also kontaktierte ich meine ehemalige Psychotherapeutin. Sie verschaffte mir Zugang zu den Themen ADHS und Autismus, da sie selbst mit ihrer Familie betroffen war. Und so begann meine Reise. Mit der Motivation, mein Kind bestmöglich zu verstehen und begleiten zu können, las ich Nächte lang. Je mehr ich mich auf Studien und Literatur stützte, desto mehr gingen mir die Lichter auf.
Auch in Bezug auf dich und deinen Mann?
Ja, an einem Tag, an dem mein Mann und ich einen Streit hatten, sagte er zu mir: „Für unseren Kleinsten hast du immer Verständnis, aber für mich nicht.“ Und im selben Moment kam uns beiden die Eingebung: Mein Mann ist Autist. Endlich waren all die Jahre seines Leidens erklärbar.
Wir hatten alles durch in den letzten acht Jahren – Klinikaufenthalte, Persönlichkeitsentwicklung, Traumatherapie. Er ist der beste Mann und Vater, den ich mir vorstellen kann. Er hat unfassbar an sich gearbeitet, und niemand würde ahnen, was für eine Kindheit er hatte.
So durfte ich erkennen: Nicht nur habe ich ADHS (was ich jahrelang scherzhaft sagte), sondern ich bin ebenso Autistin – nur passte ich nicht in das stereotype Bild, weshalb ich es nie für möglich hielt. Aber unsere Erschöpfung zeigte es deutlich. Und genauso bei den Kindern. Je mehr Informationen ich bekam, desto gezielter konnte ich auf sie eingehen. Zu meiner Überraschung stellte ich fest: Seitdem wir das Wissen haben, sind wir als Familie immer friedlicher miteinander und erkennen uns gegenseitig viel tiefer.
Was machen all diese Diagnosen mit euch?
Diagnosen sind für mich keine Stempel und sollen kein neuer Käfig sein. Sie sind eine Möglichkeit, mich, meinen Mann und meine Kinder besser zu verstehen und sie zu selbstbestimmten, glücklichen Erwachsenen begleiten zu können. Ich möchte, dass meine Kinder nicht erst wieder mühsam inneren Frieden suchen müssen, sondern gleich ein Leben leben dürfen, in dem sie sie sind – damit sie das finden, womit sie für sich und andere ein großes Licht sein können.
Die ersten festen Diagnostik Termine haben wir im Herbst für meine beiden Söhne. Danach folgt meine älteste Tochter. Die Wartelisten sind lang. Aber für mich ist ein Arztbrief kein Beweis. Solange ich durch diese Erkenntnisse meine Kinder besser begleiten kann, weiß ich, dass es der richtige Weg ist.
Mein Mann und ich sind die besten Beispiele: Wir haben so viele falsche Diagnosen bekommen und sind doch nie wirklich angekommen. Jetzt ist das anders. Und genau das möchte ich meinen Kindern und anderen mitgeben: Es ist nicht wichtig, was im Außen über dich gesagt wird, sondern dass du dich selbst erkennst und ernst nimmst.
Natürlich ist es wichtig, sensibel und gewissenhaft mit diesen Begriffen umzugehen, denn es herrscht viel Unwissenheit, gerade in Abgrenzung zu Themen wie Trauma, PTBS oder Hochsensibilität. Deshalb kläre ich darüber auf und habe ein E Book zu diesem Thema geschrieben. Wissen ist wichtig. Nicht jeder, der es sagt, ist autistisch, aber ebenso viele, die keine Diagnose haben, sind es doch und dürfen das für sich anerkennen, um ein besseres Leben führen zu können.
Ich könnte mir vorstellen, dass es da von außen viele Ratschläge und Meinungen zu den Kindern gibt. Was musst du dir im Alltag so anhören?
Schon seit Längerem habe ich mich von dieser Art Mensch distanziert und sage dazu nur noch selten etwas. Manchmal regt es mich sehr auf, aber ich versuche, es nicht so nah an mich heranzulassen. Diese Aussagen kommen meist aus Unwissenheit, eigenem Schmerz oder Ignoranz.
Kommentare, die mich dennoch beschäftigen, sind zum Beispiel:
- „Die brauchen alle nur mal den Gürtel, dann sind die wieder normal.“
- „Meine Kinder waren auch mal so, ich habe das nicht durchgehen lassen. Wenn man sich auf der Nase rumtanzen lässt …“
- „Ja, das hat ja jeder mal, dass es immer für alles einen Namen braucht.“
- „Die Kinder müssen ins Heim. Hoffentlich hat schon jemand etwas beim Jugendamt gemeldet.“
An den meisten Tagen macht das nichts mit mir, aber wenn ich eh schon sehr an der Grenze und sensibel bin, geht es mir sehr nah. Es zeigt mir vor allem, dass die Blase, in der ich mich bewege, doch kleiner ist, als es sich manchmal anfühlt. Die normale Welt hat leider immer noch oft einen sehr verzerrten Blick auf Kinder und Andersartigkeit. Das wird mir besonders in meiner Kommentarspalte bei viralen Reels bewusst.
Mich hat ein Video sehr berührt, in dem man einen Meltdown eines Kindes von dir gehört hat. Könntest du mal erklären, was genau ein Meltdown ist? Und inwiefern er sich von einem Wutanfall unterscheidet?
Ein Meltdown ist kein Wutanfall. Das ist mir wichtig gleich am Anfang zu sagen. Viele Menschen verwechseln das und bewerten Kinder dann falsch.
Ein Wutanfall entsteht nicht nur, weil ein Kind seinen Willen durchsetzen möchte, wie es oft dargestellt wird. Oft ist es vielmehr so, dass ein Kind sich übergangen fühlt, nicht ernst genommen wird, seine Bedürfnisse nicht gesehen oder anerkannt werden. Auch Unterbrechungen bei etwas, das ihm gerade wichtig ist, oder ständige Verbote und Korrigieren können Auslöser sein. Ein Wutanfall ist also auch ein Ausdruck von Frustration und Bedürftigkeit und muss genauso liebevoll begleitet werden wie ein Meltdown.
Ich habe aber schon lange bevor ich wusste, was Neurodivergenz ist, gespürt, dass die Wutanfälle meiner Kinder anders sind als bei anderen. Ich habe das immer wieder versucht zu erklären, aber niemand hat mich verstanden. Es wurde abgetan mit Sätzen wie: „Manche Kinder sind eben lebendiger und impulsiver.“ Doch ich habe gespürt, dass meine Kinder sich in diesen Momenten verlieren – und dass nichts sie zurückholen konnte. Es war ein richtiger Schmerz, den ich damals schon gespürt habe und den ich bis heute spüre. Wutanfälle haben wir auch, aber sie zeigen sich, allein schon von der Energie, ganz anders.
Ein Meltdown ist ein kompletter Zusammenbruch des Nervensystems. Man könnte sagen: Es ist wie eine Überladung. Zu viele Reize, zu viele Gefühle, zu viel von allem – und der Körper findet keinen anderen Weg mehr, als in einen Zustand zu kippen, in dem nichts mehr geht. Während man einen Wutanfall manchmal noch mit Ablenkung oder klarer Begleitung etwas abfedern kann, ist das bei einem Meltdown nicht möglich. Da hilft kein gutes Zureden und keine Ablenkung. Das Kind ist in diesem Moment völlig überwältigt. Es schreit, weint, schlägt vielleicht um sich oder zieht sich komplett zurück – und es ist kein böses Verhalten, sondern pure Überforderung.
Das ist sicher für euch Eltern oft echt heftig….
Für uns als Eltern ist es unglaublich schwer, das auszuhalten. Denn man fühlt sich hilflos. Aber das Wichtigste ist: dableiben, Sicherheit geben, das Kind nicht allein lassen und darauf achten, dass es sich nicht verletzt. Manche Kinder brauchen Rückzug, Dunkelheit, Ruhe. Andere suchen Nähe, Körperkontakt oder ein Ritual, das sie wieder erdet.
Es ist nicht immer leicht, beides voneinander zu unterscheiden. Manchmal verschwimmen die Grenzen. Aber ich glaube, Eltern, die sehr verbunden sind mit ihren Kindern, spüren den Unterschied schnell.
Auch dass Eltern manchmal nicht mehr können und man nicht immer liebevoll sein kann, weil man es nicht schafft, ist vollkommen normal und niemand ist deshalb eine schlechte Mutter oder ein schlechter Vater. Wir vergessen ganz oft uns selbst, dass auch wir Menschen mit Emotionen sind. Und da geht es nicht mal um eigene Themen und Trauma, es geht einfach darum, dass wir auch einfach mal zu viel haben dürfen, dass es, auch wenn wir sehr reflektiert und bewusst sind, völlig normal ist, Emotionen zu haben.
Die Frage ist eben, wie gehen wir damit um. Kinder erleben Trauma nicht dadurch, dass Eltern Fehler machen, sondern dadurch, dass sie mit großen überwältigenden Gefühlen größtenteils komplett allein gelassen werden, weil sie diese nicht bewältigen können. Coregulation nennt sich dies auch, was für das Nervensystem von Kind und Eltern Gold wert ist, wenn man sich dafür öffnet. Wenn man selbst Schwäche zeigt und seinem Kind das auch offen kommuniziert, nichts ist so stark wie Verletzlichkeit.
Wir müssen unseren Kindern nicht zeigen, wie konsequent und stark wir sind. Sie benötigen liebevolle Führung und den Einblick in unsere Gefühlswelt. So lernen sie, dass alle Gefühle normal und richtig sind und dass Fehler machen zum Leben dazugehört, aber dass man zu diesen stehen darf und immer neu anfangen kann. Das fehlt in unserer Gesellschaft ganz extrem, finde ich.
Wie begleitest du deine Kinder in so einen Meltdown?
Ich habe schon einiges ausprobiert und ich glaube, dass die Begleitung sehr individuell ist. Wenn mein Mann es begleitet, funktioniert es anders, als wenn ich es mache. Meist hilft am Anfang nichts außer einfach da zu sein, und wir wechseln uns da auch ab.
Ein paar Dinge, die uns helfen können:
- nach einiger Zeit das Kind auf den Arm nehmen und fest drücken
- körperlicher Druck, zum Beispiel durch eine schwere Decke oder festes Halten
- summen oder beruhigende Musik spielen
- rhythmisches Schaukeln oder sanftes Streicheln am Rücken
- vertraute Gerüche (z B ein Tuch mit Mama Geruch)
- Bewegungen spiegeln und klar sagen: „Ich bin da, du bist sicher“
- Rituale, die Vertrautheit geben
Und manchmal muss ich den Raum kurz verlassen oder mir selbst Ohrhörer einsetzen, weil es einfach zu laut für mich ist. Auch das gehört dazu: die eigenen Grenzen zu spüren und sich kurz zu regulieren, um dann wieder da sein zu können.
Und am Ende bleibt für mich das Wichtigste: Egal ob Wutanfall oder Meltdown, beide sind ein Ausdruck von Überforderung. Und beide brauchen dasselbe: liebevolle Begleitung.
Haben alle eure Kinder Meltdowns?
Ja, tatsächlich. Aber jedes auf seine ganz eigene Weise. Mein ältester Sohn bricht absolut in Tränen aus und heult schreiend laut. Das kann schon mal bis zu ein bis zwei Stunden dauern. Meist liegt er dann irgendwo auf dem Boden und wir legen uns dazu. Das kann mein Mann am besten begleiten, mir fällt es sehr schwer.
Meine älteste Tochter ist dabei oft sehr sehr wütend. Sie rollt sich hin und her, brüllt und wütet. Sie schwankt zwischen tiefem Weinen und Wut, und nach etwa 30 Minuten verändert es sich, dann bleibt nur noch das schrille, verzweifelte Weinen. Bei ihr spürt man aber sehr die Panik. Das wütende Schreien hört sich sehr nach Panik an.
Mein kleiner Sohn schreit ebenfalls und schlägt um sich, meist nach mir. Das grenze ich so gut es geht ab, denn auch ich habe meine Grenzen. Ich lenke die Schläge sanft ab, und wenn gar nichts mehr geht, gehe ich raus und wechsle mit Dave.
Bei der Kleinsten merke ich es tatsächlich auch nach und nach. Allerdings ist es noch nicht so eindeutig, ob es ein Wutanfall oder ein Meltdown ist. Sie verliert sich oft sehr ins Weinen, vor allem wenn der Tag schon viel von ihr verlangt hat. Gleichzeitig zeigt sie viele andere Verhaltensweisen, die sehr speziell sind: das Aufreihen von Dingen, eine starke Fixierung auf Sachen, die ihr wichtig sind, extremes Händeflattern, starkes Schreien bei großen Emotionen, auch Freude, und eine enorme Aktivität den ganzen Tag über. Schlaf braucht sie dafür erstaunlich wenig, obwohl sie noch so klein ist.
Das ist natürlich alles noch viel detaillierter und vielschichtiger, ich versuche hier einen kleinen Einblick zu geben. Zu Neurodivergenz gehört noch sehr viel mehr. Und vor allem auch die Intensität und Häufigkeit aller Symptome. Denn einiges haben natürlich auch mal neurotypische Kinder, allerdings in viel geringerer Intensität und Häufigkeit. weshalb es so schwer ist das Außenstehenden zu vermitteln, vor allem wenn sie das Kind nur in wenigen Momenten kennen.
Was hilft einem Kind ganz sicher nicht bei einem Meltdown?
Ganz sicher nicht hilft Strafen, Drohungen oder der Gedanke, das Kind müsse sich jetzt einfach zusammenreißen. Ein Meltdown ist kein Verhalten, das man „weg erziehen“ kann. Auch ignorieren und das Kind allein lassen macht es schlimmer. Denn ein Meltdown entsteht nicht aus bösem Willen, sondern aus Überforderung.
Ebenso wenig hilft es, laut zu werden, das Kind anzuschreien oder noch mehr Druck aufzubauen. Viele Erwachsene glauben, dass Härte ein Kind zurück in die Spur bringt, in Wirklichkeit verliert es dadurch nur noch mehr Sicherheit.
Auch gut gemeinte Sätze wie „Beruhig dich doch“ oder „Es ist doch gar nicht so schlimm“ helfen nicht. Sie nehmen das Kind nicht ernst, sondern lassen es mit seinen großen Gefühlen allein.
Kurz gesagt: Alles, was das Kind in diesem Moment kleiner macht, ihm Sicherheit nimmt oder es beschämt, hilft ganz sicher nicht. Ein Meltdown ist keine Erziehungsfrage, sondern ein Nervensystem, das gerade zu viel hat.
Was wünschst du dir für deine Kinder?
Ich wünsche mir, dass sie frei und selbstbestimmt, glücklich ein Leben führen können. Dass sie geliebt und hoffnungsvoll durch alle Herausforderungen gehen können und nie das Gefühl haben müssen falsch, zu viel oder ungeliebt zu sein.
Ich wünsche mir, dass sie den Mut haben sie selbst zu sein, cringe und weird zu sein, wenn das bedeutet, dass sie sich und ihrem Herzen folgen. Und ich möchte ihnen so viel Liebe mitgeben, dass sie die lauten gemeinen Stimmen im Außen überhören können und wieder ihrem Weg folgen.
Und welche Wünsche hast du für dich selbst?
Eigentlich das Gleiche wie für meine Kinder. Ich musste erst wieder lernen und tue es noch, wer ich eigentlich bin und wie ich mich zeigen möchte. Was macht mir Freude, wo darf ich Grenzen ziehen und was will ich eigentlich für mein Leben.
Wo bin ich laut, weil andere es gut finden und wo bin ich leise und nehme mich zurück, um andere vor mich selbst zu stellen. Es geht nicht um Egoismus. Ich glaube, je mehr wir uns selbst so zeigen wie wir sind und anderen ins Herz sprechen, desto mehr trauen sich auch andere Menschen wieder glücklich sie selbst zu sein.
Ich habe mir ein Leben um meine Maske aufgebaut, weil ich von klein auf gelernt habe, dass ich so wie ich eigentlich bin nicht richtig bin. In ganz vielen kleinen Momenten, weil die Gesellschaft einen gewissen Charakter und Verhaltensweisen als unausgesprochene Regeln voraussetzt. Und daran habe ich mich angepasst und so natürlich mein Leben um diese Anpassung herum aufgebaut.
Und nun heißt es für mich mir ein Leben aufzubauen, was wirklich mir entspricht und damit dann auch ganz vielen anderen der größtmögliche Mehrwert zu sein. Einfach weil ich ich bin.
Wer mehr über Nathalys Familie erfahren möchte, kann ihr auf Instagram folgen https://www.instagram.com/heart.mind.mothers/
9 comments
Schön, dass deine Kinder ihre Gefühle leben und zeigen dürfen.
Und ich finde aus dem Artikel kommt heraus, dass er der Autorin eben nicht um irgendwelche Labels oder Entschuldigungen geht, sondern darum ihre Kinder besser zu verstehen, ihr Verhalten nachvollziehen zu können und sie damit besser, leichter in ihrem Weg und in ihren Herausforderungen begleiten zu können.
Wo steht, dass die Diagnosen selbst gestellt sind? Wir wissen es nicht und Mutmaßungen finde ich hier unangebracht. Schön wäre, wenn die Autorin sich noch einmal selbst zu Wort melden würde..aber ich wüsste nicht, ob ich es bei den Kommentaren tun würde.
Wichtig wäre meiner Meinung, im Interview die Hintergründe, warum Meltdowns bei autistischen Menschen nicht mit herkömmlichen Wutausbrüchen vergleichbar sind, zu beleuchten… Hier bleibt alles etwas an der Oberfläche und wird den doch sehr unterschiedlichen Ausprägungen meiner Meinung nach nicht gerecht.
Ich wünsche Eurer Familie viel Verständnis und schöne Momente!
@Andrea: ich habe es auch so aufgefasst, dass die aktuellen Diagnosen der Eltern und Kinder auf der eigenen Einschätzung durch selbst angelesenes Wissen beruhen.
Hi Andrea,
ich habe den Artikel ehrlich gesagt mit wachsendem Unwohlsein und einem Gefühl des Bedauerns für die Kinder gelesen. Mir drängte sich der Eindruck auf, dass die Eltern viele Probleme aus ihrer eigenen Kindheit mitbringen (ohne dass ich jetzt beurteilen kann und will, was da dran ist), dann selbst sehr früh Eltern geworden sind, mit Anfang 30 selbst schon 4 Kinder haben und da jetzt alles richtig machen wollen, was ja lobenswert ist, dazu aber eigentlich nicht in der Lage sind, wie auch? Dass nun alle vier Kinder problematisiert/pathologisiert werden, finde ich höchst bedenklich. Da fehlt der Blick einer außenstehenden/objektiven Person, das können doch nicht die eigenen, selbstverständlich befangenen Eltern machen. Die Kinder werden, meiner Meinung nach, regelrecht in so eine Ecke gedrängt („neurodivergent“ – absolut nichtssagend), weil die Eltern das erwarten, aufgrund ihrer eigenen Geschichte. Dazu scheint die Familie sehr isoliert, sie betonen ja auch immer, dass sie keine familiären Kontakte außerhalb der Kernfamilie haben, und scheinen das sogar gut zu finden. Manche Eltern machen ihre Kinder erst krank.
Ich weiss, dass das drastisch klingt, aber nach meinem ersten flapsigen Kommentar habe ich den Beitrag nochmal gründlich gelesen, und finde ihn höchst bedenklich. Hier geht es ganz viel um Mutmaßungen und Projektionen der Eltern, die sich selbst zu Therapeuten machen. Ehrlich gesagt finde ich es auch bedenklich, dass ihnen hier so eine komplett unkritische Plattform geboten wird, durch die sie sich wahrscheinlich bestätigt fühlen.
Danke für Deine Antwort… jetzt kann ich besser verstehen, wie Du zu Deiner Einschätzung kommst…
P.S.: und wer ist schon neuronormal und wer definiert das? Irgendwie hat doch jeder sein Päckchen aus erlebtem, anerzogenem, genetischem, epigenetischem, traumatisiertem, stoffwechselphysiologischen Besonderheiten, von Hormonen von Pubertät bis Wechseljahre ganz zu schweigen. Vielleicht sollten wir insgesamt etwas toleranter und gnädiger sein, vorausgesetzt jeder bemüht sich nach Kräften um ein soziales Verhalten. Dann brauchts auch nicht immer mehr Schubladen, Label, Diagnosen um sich und andere „zu finden“
Habe ich das richtig verstanden, dass die ganzen Störungsbilder selbst diagnostiziert wurden?
Wieso erscheint hier so ein Artikel, in dem gar nichts belegt ist?
Ich habe vier Kinder, zwei haben ADHS, alle sind hochbegabt. Trotzdem sind meine Kinder. sozial verträglich und flippen nicht aus.
Sie sind diszipliniert und nehmen sich ihre Ruhezeiten, wann sie sie brauchen.
So langsam kommt mir der Gedanke, dass der Begriff neurodivergent gerne benutzt wird, um Probleme zu begründen, die man sich nicht erklären kann.
Ehrlich gesagt, habe ich das Gleiche gedacht. Der Insta-Account und das Interview machen sehr stark den Eindruck als seien hier Verhaltensweisen bzw. Persönlichkeitsmerkmale vorhanden, an denen man entweder „arbeiten“ kann (ohne sich dabei zu verbiegen natürlich) oder man macht es sich leichter und ist „neurodivergent“.
So etwas ähnliches kam mir auch in den Sinn. Und ganz ernsthafte Frage: kann man nicht auch neurodivergenten Kindern helfen zu lernen, anders mit der Überforderung umzugehen? Wahrscheinlich ist die Bandbreite der Möglichkeiten, was geht und was nicht, groß, bin da nicht vom Fach, aber Lernfähigkeit ist meist doch gegeben?
Was mich an der Flut von selbst- oder spezialistengestellten Diagnosen irgendwie dezent nervt ist, dass es oft einigermaßen elitär wirkt. Man ist was besonderes, „darf“ sich „schlecht“ benehmen. Unbenommen ist es natürlich wichtig, dass Diagnosemöglichkeiten da sind, die vielen eine Last abnehmen und Zugang zu Hilfe und Therapie ermöglichen.