Querschnittsgelähmt nach OP: So geht´s Sven heute

Querschnittsgelähmt

Ihr Lieben, vor über einem Jahr haben wir das erste Mal über Sven berichtet, der nach einer OP plötzlich querschnittsgelähmt war (Hier das erste Interview). Damals haben er und seine Frau Annika sehr emotional beschrieben, wie sehr diese Querschnittslähmung und die Tatsache, dass Sven im Rollstuhl sitzt, ihr Leben und Beziehung verändert hat.

Nun wollten wir wissen, wie sich die Situation weiter entwickelt hat und haben Sven um ein Update-Interview gebeten. Los gehts:

Lieber Sven, du hattest in Oktober 2022 eine OP, die euer Leben verändert hat. Kannst du für alle, die unser erstes Interview nicht gelesen haben, kurz erklären, was damals passiert ist?

Im Oktober 2022 wurde ich am Rückenmark operiert. Dabei wurde eine sogenannte AVM (arteriovenöse Malformation) verschlossen, also eine fehlerhafte Verbindung zwischen einer Arterie und einer Vene. Dieser „Kurzschluss“ sorgte dafür, dass die Gefäße über einen langen Zeitraum stark anschwillen und meine Nerven abdrückten. 

Die OP war sehr komplex und das Krankheitsbild erwies sich als äußerst komplex. Aufgrund dieser OP wurde leider die Blutversorgung des Rückenmarks unterbrochen, wodurch ich ab dem Bauchnabel abwärts querschnittgelähmt bin. 

Im März 2024 haben wir das letzte Mal gesprochen, damals hattest du fest vor, wieder in einem Beruf zu arbeiten. Wie ist da der aktuelle Stand?

Ich arbeitete vor der OP als Biologe in einer Pathologie. Ein Job der mir viel Spaß gemacht hatte. Leider bestand kein Interesse bei meiner Arbeitgeberin, mich wieder im Job zu integrieren und ich wurde gekündigt. Das war ein schwerer Schlag für mich. Mein Leben veränderte sich in allen Bereichen und nun erhielt ich auch noch meine Kündigung.

Das Gefühl nicht mehr gebraucht zu werden zeigte sich nun auch noch im Job, dazu kamen selbstverständlich noch finanzielle Sorgen. Wie sollen wir die Miete zahlen? Müssen wir umziehen? Finde ich überhaupt wieder einen Job? Das war eine schreckliche Zeit. 

Ich habe allerdings früher schon öfter mit dem Gedanken gespielt, als Lehrer zu arbeiten und ein Seiteneinsteigerprogramm zu durchlaufen. Da sich ohnehin bei mir alles verändert hatte, habe ich dann den Entschluss gefasst, auch diese Idee umzusetzen. Dadurch habe ich letztes Jahr direkt nach den Sommerferien als Lehrer angefangen zu arbeiten und nebenher alle Qualifizierungen zu durchlaufen. Ich habe jetzt mein erstes Schuljahr an einem Gymnasium geschafft und fühle mich dort sehr wohl, habe viel Freude an meinem neuen Beruf und viele nette Menschen kennengelernt. Der Beruf selbst gefällt mir sehr und ich möchte in Zukunft berufsbegleitend das Referendariat absolvieren. 

Du hast im letzten Interview auch davon erzählt, wie sehr die deine altes Hobbies Radfahren und Tanzen fehlen. Hast du inzwischen Ersatz dafür gefunden, die auch querschnittsgelähmt möglich sind?

Meine Hobbies vermisse ich nach wie vor. Ich habe allerdings mittlerweile ein Handbike mit dem ich trainieren kann und das Gefühl vom Radfahrern kommt damit wieder zurück. Aber ich würde lügen, wenn ich nicht immer mal wieder an meine alten Hobbies denke. Mir fehlt hier die Leichtigkeit, so wie man sich früher aufs Fahrrad schwingen konnte. Nun ist alles mit erheblich mehr Aufwand verbunden.

Für das Tanzen allerdings habe ich keinen Ersatz gefunden. Tanzen im Rollstuhl ist zwar möglich aber doch etwas ganz anderes, als wenn man stehend zusammen tanzen kann. 

 Wie geht es dir gerade ganz generell körperlich und mental?

Mir geht es den Umständen entsprechend gerade ganz gut. Ich habe zwar leider häufig Nervenschmerzen, die unterhalb des Querschnitt auftreten. Diese erschweren den Alltag enorm und treten häufig bei Wetterwechseln auf. Auch Spastiken, bei denen gerade meine Beinmuskulatur sich versteift, kosten im Alltag viel Kraft. Das sind maßgeblich zwei körperliche Probleme, für dich ich noch Erleichterung suche.

Davon aber abgesehen hat gerade das letzte Jahr mit dem neuen Beruf für die Psyche sehr gut getan. Eine Aufgabe zu haben und damit einen geregelten Alltag nachzugehen, ist enorm wichtig. Ich sehe mich damit also auf einem guten Weg. 

Was ist heute anders als bei unserem letzten Interview?

Die gesamte Situation ist nochmal mehr „normal“ geworden. Wir wohnen mittlerweile in einer Erdgeschosswohnung, wodurch das aus dem Haus gehen plötzlich nicht mehr mit einem Treppenlift verbunden ist und keine Zeit mehr kostet. Damit sind Dinge wie zum Briefkasten zu gehen oder den Müll rausbringen einfach möglich, ohne minutenlang auf einen Lift zu warten. 

Und natürlich ist die Akzeptanz gegenüber meiner Situation weiter gewachsen, was sich positiv auf das gesamte Leben auswirkt. Mein ursprünglicher lebensfroher und lustiger Charakter kommt mit dieser Akzeptanz wieder zum Vorschein.

Du hast damals auch erzählt, dass viele Bekannte einfach abgetaucht sind, weil sie nicht wussten, wie sie mit euch umgehen sollen. Habt ihr neue Bekanntschaften geschlossen?

Ja, wir haben glücklicherweise neue Bekanntschaften geschlossen. Ich habe aufgrund meines Umfelds des neuen Berufs viele neue Freunde gefunden. Dort hat man mich im Rollstuhl kennengelernt und ging ganz anders mit der Situation um. Viele dachten, ich wäre schon mein gesamtes Leben Rollstuhlfahrer und das Thema fand gar nicht viel Beachtung.

Meine Frau Annika fing ebenfalls wieder an zu arbeiten (nachdem auch sie kurz nach meiner OP 2022 gekündigt wurde) und ist dort in einem sehr netten Team untergekommen. Zusätzlich fing Annika wieder an zu tanzen (worüber ich mich sehr freue) und hat dort in verschiedenen Tanzgruppen ebenfalls neue Bekanntschaften geschlossen.  Diese Entwicklung hat uns beiden sehr gut geraten. 

Dieser Schicksalsschlag hatte natürlich auch eure Beziehung belastet. Wie geht es euch mittlerweile miteinander?

Natürlich hat dieser Schicksalsschlag die Beziehung verändert. Wir mussten uns neu finden und jeder musste Dinge akzeptieren, die man sich nie im Leben gewünscht. Was ein wichtiger Punkt war ist, dass jeder wieder eigenen Dingen nachgehen kann und somit auch etwas Freiraum hat. Die akute Zeit nach der OP war natürlich gänzlich mir gewidmet, da ich viel Hilfe brauchte und zurück ins Leben finden musste. Das kann dauerhaft nicht gut gehen und hier musste dringend Raum geschaffen werden, damit gerade Annika nicht als ständige Pflegerin wahrgenommen wird. 

Dadurch, dass ich immer selbständiger wurde und jeder eigene Hobbies und einer eigene Arbeit nachgeht, ist wieder Normalität eingekehrt, was einer Beziehung nur guttun kann. 

Und wie geht es euren Kindern?

Unsere Kinder sind mit der Querschnittlähmung von Anfang an gut umgegangen, wenn auch für sie das eine schwere Umstellung war. Es gibt immer mal wieder Situationen, bei denen sie traurig sind, dass ich nicht mitmachen kann. Aber in der Gesamtheit haben wir uns damit gut arrangiert und finden immer wieder andere Wege oder Aktivitäten, die wir auch zusammen machen können. 

Von was träumst du in der Zukunft?

Einen Traum für die nahe Zukunft ist das Referendariat, damit ich eine abgeschlossene Lehrerausbildung habe und in meinen Fächern alle Jahrgänge unterrichten kann.

Langfristig träume ich schon davon, noch mehr Reisen zu unternehmen. Ich bin mittlerweile zwei Mal mit dem Rollstuhl geflogen und habe festgestellt, dass sich doch für viele Probleme Lösungen auch unterwegs finden lassen und alles viel entspannter ist, als man sich das vorab vorstellt. Da träume ich schon davon auch Fernreisen zu unternehmen und verschiedene Länder der Welt zu erleben. 



1 comment

  1. Absolut bewundernswerter Umgang mit diesem Schicksal! Zudem zwei Kündigungen und das alles als Eltern zu verkraften und weiterhin für die Kinder stark zu sein, ihr könnt wirklich stolz auf euch sein! Unglaublich was manche stemmen (müssen) – gerne mehr Sichtbarkeit durch solche Beiträge!! Ich wünsche der Familie alles erdenklich Liebe & Gute. 🍀

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert