Papa ist schwul: Für Marie macht das keinen großen Unterschied

Papa ist schwul

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Ihr Lieben, Maries Eltern haben sich getrennt, als sie ein Teenager war, später outete sich ihr Vater, lebte mit einem Mann zusammen. Was hat das für Marie verändert? Wie geht es ihr heute? Sie ist 47 Jahre alt, geschieden und Mutter von zwei Jungs: 15 und 18 Jahre alt. Sie lebt seit fünf Jahren in einer Patchwork-Familie mit fünf Kindern und einer psychisch kranken Ex-Frau. Bis zu dem Interview dachte sie eigentlich, dass sie ihr „Papa ist schwul“ gut aufgearbeitet hätte. Sie hatte dann aber doch bei der ein oder anderen Frage Herzklopfen. Normal, oder?!

Liebe Marie, erzähl uns doch mal ein bisschen was zu deiner Kindheit, wie bist du aufgewachsen?

Ich bin in einem Dorf in Nordhessen groß geworden, dort habe ich die ersten 16 Jahre gelebt, danach noch drei Jahre in der Kleinstadt, in der ich vorher schon jahrelang zur Schule gegangen bin. Meine Kindheit sehr schön, ungefähr bis ich 9 Jahre alt. Ich habe im Dorf und in der Schule Freundschaften gehabt, meine Eltern sind mit mir und meinem drei Jahre älteren Bruder viel in den Urlaub gefahren, sie waren beide Lehrer.

Mein Vater wurde dann psychisch krank (manisch-depressiv) und meine Eltern haben sich scheiden lassen, als ich ca. 13 Jahre alt war. Mein Vater ist nach vielen Klinikaufenthalten irgendwann ausgezogen, ich hatte Kontakt zu ihm bis ich 16 Jahre alt war, der Kontakt Bestand aus Besuchen am Wochenende. Nachdem ein Besuch, bei dem ich alleine war, eskaliert ist, weil mein Vater immer über meine Mutter gelästert hat und ich das nicht wollte, bin ich ab diesem Zeitpunkt nie mehr alleine dort gewesen (das wird später noch wichtig).

Als ich 16 war, hat mein Vater das Versprechen gebrochen, dass wir bis zu meinem Abitur im gemeinsamen Haus wohnen bleiben können, weswegen wir dann umziehen mussten. Das habe ich ihm sehr übelgenommen und ich habe den Kontakt abgebrochen. Einen erneuten Kontakt gab es erst während meines Studiums, als ich etwa Anfang 20 war, dann immer im Beisein meines damaligen Freundes (später Mannes und mittlerweile Ex-Mannes).

Wie hast du deine Eltern vor der Trennung als Paar wahrgenommen? 

Rückblickend gab es schon Momente, in denen meine Eltern auch zärtlich miteinander waren, ich habe sie als Kind auch zweimal beim Sex erwischt, dennoch habe ich das in anderen Familien zugewandter erlebt, aber meistens auch ähnlich wie bei meinen Eltern. Sie waren ein gutes Team, auch wenn mein Vater cholerisch sein konnte.

Sie waren kulturell und politisch interessiert und engagiert, wir haben sehr viel zusammen unternommen… von Urlauben über Museumsbesuche, Schwimmbad, Freizeitparks usw. usw. und ich habe nie erlebt, dass es Probleme bei der Abstimmung gab. Ich habe allerdings als Kind immer geweint, wenn die beiden sich gestritten haben und habe dann später durch meinen Bruder erfahren, dass sie sich viel gestritten haben, nur nie vor mir. 

Bei dem Gespräch, als sie uns erzählt haben, dass sie sich scheiden lassen, habe ich zwar geweint und bin weggelaufen, ich weiß aber, dass es keine Überraschung war für mich, ich habe die Kälte zwischen den beiden die Jahre davor sehr wohl wahrgenommen.

Wie alt warst du, als sie sich getrennt haben und wurde dir der Grund mitgeteilt?

Ich meine, dass ich 13 war, als die Trennung ausgesprochen wurde, ein Grund wurde mir nicht genannt bzw. kann ich mich an keinen erinnern. Wahrscheinlich aber so etwas wie: Es funktioniert nicht mehr zwischen uns.

Hat sich dein Vater offiziell mit einem „Papa ist schwul“ vor dir geoutet oder war das ein schleichendes Vermuten deinerseits?

Outing
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Nein, ich habe das nie vermutet. Als ich Anfang 20 wieder Kontakt zu ihm hatte, war ich irgendwann mal alleine bei einem Treffen (die vielleicht zwei- bis dreimal Mal im Jahr stattfanden) mit ihm und da hat er sich offenbart und gesagt, dass er es mir nie vorher erzählt, weil ich nie alleine war und er es mir aber gerne alleine sagen wollte, damit ich dann entscheiden kann, mit wem ich dieses Wissen teilen möchte.

Was hat die Gewissheit mit dir gemacht, dass dein Papa schwul ist? wie war der Moment und wie ging es dann weiter? Lagst du wach? Hast du dich mit deiner Mama ausgetauscht?

Dass mein Vater schwul ist, ist mir tatsächlich völlig egal. Der Moment aber, als mir klar geworden ist, warum sich meine Eltern getrennt haben… ich hatte einfach das Gefühl, dass die Puzzle-Teile an die richtige Stelle gerutscht sind.

Wie es weiter ging? Ich habe es meinem Freund erzählt und ich glaube noch einer Freundin und damit war die Sache eigentlich kein Thema mehr. Er hat zu dieser Zeit auch schon mit einem Mann zusammengelebt, vorher wurde mir eben eine WG vorgespielt und ich habe es nicht gerafft ;o))

Ich habe mich auch mit meiner Mutter ausgetauscht. Sie hat mir erzählt, dass sie es mir zum Schutz nicht erzählen wollte und mit meinem Vater wohl nur so lange zusammengeblieben ist, weil er so krank war. Es ist wohl am Anfang seiner Krankheit irgendwann rausgekommen, dass er diese Neigung hat, er hat sie wohl auch immer wieder betrogen, was ich für meine Mutter ganz, ganz schlimm finde. Meine Mutter hat allerdings auch von Bisexualität gesprochen, ich weiß nicht, wo da die Wahrheit liegt. 

Hat sich das Verhältnis zwischen euch verändert?  

Nein, das Verhältnis hat sich dadurch nicht verändert, seitdem ich 29 bin, habe ich keinen Kontakt mehr, das hat aber andere Gründe!

Wie klappt es heute mit der Familie? 

Meinen Vater treffe ich wie gesagt gar nicht mehr, zu meiner Mutter habe ich ein sehr, sehr enges Verhältnis. Sie ist mir vor 17 Jahren hinterhergezogen und wohnt zwei Minuten zu Fuß von mir weg, wir sehen uns mindestens zweimal die Woche und telefonieren meist jeden zweiten Tag.

Wie sind die Reaktionen deines Umfelds, wenn du erzählst, dass dein Vater nun auch offen Männer liebt?

Schwul
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Wenn ich es mal jemandem erzählt habe, z.B. Freunden oder auch im Kreis unserer gesammelten Patchwork-Kinder eigentlich neutral interessiert, aber wahrscheinlich auch, weil ich kein Drama draus mache. So viele Personen wissen es aber aus meinem Umfeld auch nicht, da mein Vater in meinem Leben auch keine Rolle mehr spielt. Ich habe bis zu seiner Krankheit den tollsten Papa auf der Welt gehabt, ich würde ihn nicht eintauschen wollen!!!

Was würdest du anderen Familien gern mit auf den Weg geben, die grad erst von einem späten Outing überrascht werden?

Den Verletzten ein Ohr geben. In sich selbst hineinhorchen, ob sich etwas und was es eigentlich für einen selbst verändert. Ändert sich damit der Mensch? Ich denke nicht. Sich die Geschichte erzählen lassen, warum derjenige den Weg gegangen ist… vielleicht zu heiraten. Versuchen, Verständnis aufzubringen, sowohl für den, der sich outet, als auch für den oder die Partnerin. Ich kann z.B. heute zu 100 % verstehen, warum meine Mutter meinen Vater möglichst nie wieder sehen wollte. Es gab lediglich wenige Familienfeiern bei denen sie aufeinandergetroffen sind.

Wie geht es dir heute?

Mir geht es gut so, wie es ist. Ich bin glücklich und ich hoffe, dass es mein Vater auch ist. Leider hat er sich als ich 29 war, nach einem Streit am Telefon und danach auf einen handschriftlichen Brief von mir nie mehr gemeldet, aber das hat mit seinem „Schwulsein“ nichts zu tun.



1 comment

  1. Vielleicht vertue ich mich, aber mein Eindruck ist, dass der letzte Satz der wichtigste des ganzen Artikels ist: die Homosexualität ist doch gar nicht das Problem.
    Viel wichtiger für das Verhältnis der beiden ist doch scheinbar die psychische Erkrankung, gebrochene Versprechen und sonstige Vorfälle, auf die hier nicht näher eingegangen wird.

    Überschrift und Aufhänger des Artikels sind irgendwie irreführend…

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